Der Agressionstrieb

Der Aggressionstrieb im Leben und in der Neurose (1908)

Alfred Adler (1870-1937) war ein österreichischer Arzt und Psychotherapeut. Adlers Lehre hatte eine große, eigenständige Wirkung auf die Entwicklung der Psychologie und Psychotherapie im 20. Jahrhundert.

Альфред Адлер был выдающийся австрийский врач конца 19 и начала 20 века – выходец из еврейской семьи, выросший в том самом районе Вены, где мне довелось провести пять лет.
В основе теорий Адлера о движущей силе комплекса неполноценности в поведении человека, согласно моему пониманию, лежит идея и соответствии психической структуры личности её морфологическим и функциональным конституциональным особенностям, причём врожденные телесные недостаточности приводят к искажению психофизиологических механизмов взаимодействия индивида с социальной средой в результате компенсаций, которые необходимы для сохранения единства индивидуальности и осуществления её жизненной миссии.

< …>Die Individualpsychologie läßt uns jeden der Triebe auf eine primäre Organbetätigung zurückführen. Diese primären Organbetätigungen umfassen die ungehemmten Leistungen der Sinnesorgane, des Ernährungstraktes, des Atmungsapparates, der Harnorgane, der Bewegungsapparate und der Sexualorgane. Die Betätigung des Trieblebens ist mit dem Gefühl der Lust, die Verhinderung mit dem der Unlust verbunden. Der Begriff »sexuelle Lust« kann nur den Empfindungen des Sexualapparates zugesprochen werden; später kann durch die früher erwähnte »Triebverschränkung« jedes Organgefühl mit der Erotik verknüpft erscheinen.

Der psychische Überbau entsteht durch die Hemmungen der Kultur und durch die Mangelhaftigkeit der Organe, welche nur bestimmte Wege für die Lustgewinnung, Lebenserhaltung und Expansion als statthaft gelten lassen. In diesem Überbau, dessen organisches Substrat aus Teilen der zu- und abführenden Nervenfasern und aus Nervenzellen besteht, die mit dem Organ in Verbindung stehen, liegen die Möglichkeiten und Fähigkeiten zu bestimmten Leistungen des Gesunden und des Neurotikers, und dieser bis zu einem gewissen Grade und Alter entwicklungsfähige Apparat gedeiht in der Regel so weit, daß er auf irgendeine Weise dem Begehren des Organs, d. i. dem Trieb des Organs nachzukommen in der Lage ist.

Er hat demnach die Tendenz, entsprechend der durch die Lebensaufgabe gesteigerten Triebstärke zu wachsen, um seine Befriedigung durchzusetzen. Dabei vollzieht sich die Anpassung der Technik seiner Leistungen an die Kultur aus egoistischen oder altruistischen Motiven, was freilich durch die Auslese und weitgehende Blutvermischung, durch die Heredität also, sehr vereinfacht ist. Immerhin hat das Zentralnervensystem, der psychische Überbau der Organe, in diesem Sinne die Ersatzfunktion für den Ausfall der primären Leistung des Organs übernommen, das beim Menschen im allgemeinen den Anforderungen der Natur nicht gewachsen ist.

Je stärker also ein Trieb ist, um so größer ist auch die Tendenz zur Ausbildung und Entwicklung des entsprechenden Organüberbaus. Wie diese Überentwicklung zustande kommt, was sie im Kampfe gegen die Außenwelt gewinnt, wie es dabei zur Verdrängung, notwendiger Konstellation (Ehrgeiz oder Gemeinschaftsgefühl gegen Freßtrieb beispielsweise) und zur Kompensationsstörung (Psychosen) kommt, habe ich in meiner »Studie über Minderwertigkeit von Organen« geschildert. Desgleichen wie durch den Zwang der Außenwelt einerseits, durch den starken Trieb andererseits das Organ genötigt wird, neue Wege, eine neue, oft höhere Betriebsweise zur Befriedigung seiner Bedürfnisse einzuschlagen. Auf diesem Wege vollzieht sich die Ausbildung des künstlerischen, des genialen Gehirns, ebenso aber auch, wenn die Kompensation dem Bedürfnis nicht gewachsen ist, sie nicht siegreich umgeht, die Ausbildung der Neurose.
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Ebenso wie die Schrecken der Weltgeschichte und des individuellen Lebens schafft der erregte, verhaltene Aggressionstrieb die grausamen Gestaltungen der Kunst und Phantasie. Die Psyche der Maler, Bildhauer und insbesondere des tragischen Dichters, der mit seinen Schöpfungen »Furcht und Mitleid« erwecken soll, zeigt uns die Verschränkung ursprünglich starker Triebe, der Seh-, Hör- und Tasttriebe, die sich auf dem Umweg über den Aggressionstrieb in hochkultivierten Formen durchsetzen und uns zugleich ein anschauliches Bild der Triebverwandlung liefern.
Eine große Anzahl von Berufen — von Tätlichkeitsverbrechern und Revolutionshelden nicht zu sprechen — schafft und erwählt sich der stärkere Aggressionstrieb. Die Richterlaufbahn, der Polizeiberuf, der Beruf des Lehrers, des Geistlichen (Hölle!), die Heilkunde und viele andere werden von Personen mit größerem Aggressionstrieb ergriffen.
Ein weites Reservoir zur Aufnahme des Aggressionstriebes bildet auch die Politik mit ihren zahllosen Möglichkeiten der Betätigung und der logischen Interpretation des Angriffes. Der Lieblingsheld Napoleon, das Interesse für Leichenzüge und Todesanzeigen, Aberglaube, Krankheits- und Infektionsfurcht, ebenso die Furcht vor dem Lebendigbegrabenwerden und das Interesse für Friedhöfe decken oft bei sonstiger Verdrängung des Aggressionstriebes das heimliche Spiel der lüsternen Grausamkeit auf, des grausamen, egoistischen Machtstrebens.
Entzieht sich der Aggressionstrieb durch Umkehrung gegen die eigene Person, durch Verfeinerung und Spezialisierung wie so oft unserer Erkenntnis, so wird die Verkehrung in sein Gegenteil, die Antithese des Aggressionstriebs, geradezu zum Vexierbild. Barmherzigkeit, Mitleid, Altruismus, gefühlvolles Interesse für das Elend stellen neue Befriedigung dar, aus denen sich der ursprünglich zu Grausamkeiten geneigte Trieb speist. Scheint dies verwunderlich, so ist doch leicht zu erkennen, daß nur derjenige wirkliches Verständnis für Leiden und Schmerzen besitzen kann, der ein ursprüngliches Interesse für die Welt von Qualen zu eigen hat, der reuige Sünder; und diese kulturelle Umwandlung wird sich umso kräftiger ausgestalten, je größer der Aggressionstrieb ist (Tolstoi, Augustin). So wird der Schwarzseher zum Verhüter von Gefahren, Kassandra zur Warnerin und Prophetin. Alle diese Erscheinungsformen des Aggressionstriebes, die reine Form, Umkehrung gegen die eigene Person, Verkehrung ins Gegenteil mit der äußerlich wahrnehmbaren Erscheinungsform der Aggressionshemmung (Abulie; psychische Impotenz) finden sich in den Neurosen und Psychosen wieder.