Erosion des Vertrauens

Globalisierung

Anfangs durchaus als Ausbruch aus einer engen nationalstaatlichen Welt begrüßt – ist die Globalisierung in der öffentlichen Diskussion mittlerweile zum Synonym für das Böse an sich geworden, ein Teufel in moderner Gestalt. Abbau von Arbeitsplätzen, weil woanders billiger produziert werden kann. Auslagerung von Dienstleistungen, weil es woanders keine Arbeitszeitregelungen gibt und rund um die Uhr gearbeitet wird. Auflassen ganzer Produktlinien, weil billiger Massenware aus dem Ausland den heimischen Markt überschwemmt. Damit verbunden ist eine hohe Belastung der Umwelt, weil Rohprodukte zur Verarbeitung durch die halbe Welt gekarrt werden – von derartigen Erlebnissen und Medien berichten ist für viele das Bild einer globalisierten Wirtschaft bestimmt. Dieses Bild erzeugt nicht nur Skepsis, sondern auch große Unsicherheit; das Gefühl, Entwicklungen ausgeliefert zu sein, die man nicht beeinflussen kann. Noch schlimmer: Sie lassen sich nicht nur nicht beeinflussen, sie führen sogar ein eigen Leben.

Informationsüberfluss

Doch was steckt genau hinter dem Schlagwort „Globalisierung“, welche Bereiche sind betroffen, was spürt der Einzelne davon? Bei genauer Betrachtung ergeben sich zwei relevante Dimensionen der Globalisierung. Erstens: die ökonomische Dimension einer Welt ohne Handelsschranken und mit extrem mobilem Kapital, die den ganzen Globus als einen einzigen gigantischen Binnenmarkt betrachtet.
Zweitens: die gesellschaftliche Dimension der Welt als globales Dorf, in der Entfernungen schmelzen und alles enger zusammenrückt. Es ist eng mit den elektronischen Medien verbunden, durch die die moderne Welt zu einem Dorf zusammenwächst.
Vor allem zwei Effekt der oben beschriebenen Dimensionen haben den Einzelnen ins Eck gedrängt: Die enorme Beschleunigung und die Informationsüberflutung.
Die Herausforderung für jeden einzelnen besteht in der Gegenwart also darin, das Wesentliche zu identifizieren und sich darauf zu konzentrieren. Das gilt für Unternehmenslenker genauso wie für Konsumenten. Viele Menschen gehen in einer Überfülle an Informationen verloren und laufen Gefahr, ihre individuellen Konturen zu verlieren.

Vertrauen

Alle diese Entwicklungen machen eines deutlich: Unser Vertrauen in unsere Fähigkeit, die Welt zu erfassen und zu erklären, befindet sich seit Jahren in einem Prozess der Erosion.
Wir können unserer Intuition immer weniger trauen. Denn das sogenannte „Bauchgefühl“ ist keineswegs unabhängig vom Kopf. Intuition entsteht durch einen Rückgriff auf bewährte Verhaltensmuster. Das bedeutet, dass wir in einer bestimmten, vergangenen Situation eine Reaktion gezeigt haben, die sich bewährt hat. Wir werden ständig mit neuen Situationen konfrontiert, für die bisherige Verhaltensmuster keine Gültigkeit haben.
Quelle: “Vorsicht: Vertrauen“ von Manfred Berger und Arne Johannsen, Wien